Jakobs-Kreuzkraut - Gefahr in der Wiese und am Wegesrand
Claudia Lang
Die gelbe Pest
Wenn ich manchmal durch die Fotos bei Instagram scrolle und hübsch drapierte Blumensträußchen sehe, liebevoll von kleinen Kinderhänden gepflückt, und mir die sonnig gelben Blüten des Jakobskreuzkrautes entgegenlachen, bekomme ich Schnappatmung.
Von Juni bis September blühen diese schön anzusehenden, aber hochgiftigen Blumen. Sie enthalten hohe Mengen Pyrrolizidinalkaloide. Dieser Giftstoff schädigt irreversibel die Leberzellen, ist krebserzeugend
und erbgutverändernd. Am giftigsten ist die Pflanze bei oralem Verzehr, aber auch über die Haut wird der Giftstoff aufgenommen, weshalb sie nicht mit bloßen Händen angefasst werden sollten.
Auch im getrockneten Zustand, im Heu oder in der Silage, verliert das Jakobskreuzkraut nicht seine Giftigkeit. Während Weidetiere die Pflanze aufgrund der enthaltenen Bitterstoffe auf der Wiese in der Regel stehen lassen, verliert sich der unangenehme Geschmack beim Trocknen, nicht aber die Wirkung der enthaltenen Giftstoffe. Diese kumulieren im Körper der Tiere, d. h. das Gift reichert sich über die Zeit hinweg an, bis eine manifeste und nicht mehr rückgängig zu machende Vergiftung eintritt. Das Tier stirbt an Leberversagen. Die Blüten der Pflanze sehen in etwa aus wie die des Gänseblümchens nur komplett gelb, die Blätter ähneln denen des Rucolas. Im Frühjahr, bevor sich die Blüten bilden und die Pflanze in die Höhe wächst, sieht sie deshalb auch aus wie Rucola. Sie erreicht eine Höhe von 30-120 cm.
Man findet sie häufig an Wegrändern, in Straßengräben und auf ungespritzten Wiesen. Die Zunahme der ökologischen Landwirtschaft, die mit einer Reduzierung des Pestizideinsatzes einhergeht, führt zu einer explosionsartigen Ausbreitung. Vor allem ungespritzte Wiesen, für die der Landwirt eine Förderung erhält, wenn er sie nicht vor Juli mäht, sind häufig voll von Jakobskreuzkraut, das anschließend im Heu landet, wo es nur noch mit viel Mühe identifiziert werden kann. So liegt es in der Verantwortung des Landwirtes, die Wiesen vor der Mahd auf vorhandene Pflanzen zu überprüfen. Um diese dauerhaft loszuwerden, eignet sich eigentlich nur das sehr mühevolle Ausgraben der einzelnen Pflanzen inklusive der Wurzel. Die Pflanzen sollten danach nicht auf dem Misthaufen oder in der Biotonne entsorgt werden, weil sich dann die Samen wieder verbreiten können. Man sollte sie entweder verbrennen oder über den Restmüll entsorgen.
Ein großes Problem stellt auch die Kontamination von Lebensmitteln da. Gerade Honig ist häufig mit Pyrrolizidinalkaloiden belastet, wenn die Bienen den Nektar der Giftpflanzen einsammeln. Deshalb liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, diese Pflanzen zu entfernen, wenn sie auf dem eigenen Grundstück vorkommen, um die weitere Verbreitung zu verhindern. Beispielsweise für Fencheltee und Hirse gab es schon mehrfach Rückrufaktionen im Handel wegen überhöhter Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden. Aber auch viele andere Lebensmittel können den Giftstoff enthalten, wobei biologisch erzeugte Produkte häufiger mit diesem Problem zu kämpfen haben, weil bei ihnen der Einsatz von Spritzmitteln wegfällt, die solche „Unkräuter“ im konventionellen Anbau zurückdrängen.
Wenn ich die gelb leuchtenden Massen an Jakobskreuzkraut betrachte, die einem besonders im Juli aus den Straßengräben entgegenleuchten, dann vermute ich manchmal, dass die Straßenarbeiter, die sonst alles wegschreddern, die hübschen Blumen absichtlich stehen lassen, weil sie so schön anzusehen sind. Wenn wir bei Pferden im Rahmen von Gesundheitschecks oder aufgrund von Leistungsabfall Blutproben untersuchen, fallen ganz häufig erhöhte Leberwerte auf.
Neben der häufig vorkommenden Schimmelpilzbelastung durch Heu und Stroh ist das Vorhandensein von Jakobskreuzkraut im Raufutter die wahrscheinlichste Ursache dafür. Prophylaxe ist in diesem Fall das A und O, weil die dadurch hervorgerufenen Schäden an den Leberzellen, wie schon anfangs geschrieben, nicht rückgängig zu machen sind. Kommt es immer wieder zur Aufnahme des Alkaloides, versagt die Leber irgendwann und das Tier kann nicht mehr gerettet werden.
Eigentlich müsste gegen eine Ausbreitung dieser Pflanze viel radikaler und auch von öffentlicher Seite aus vorgegangen werden, um die rasante Ausbreitung zu stoppen. Rinder-, Pferde-, Schaf- und Ziegenhaltern kann ich nur raten, die Pflanzen auf den Weiden zu entfernen und, noch wichtiger, die Heuwiesen vor der Mahd zu überprüfen und auch dort gegebenenfalls vorkommendes Jakobskreuzkraut zu entfernen, bevor es sich unbeherrschbar verbreitet. Einen blütenreichen, aber giftpflanzenfreien und hoffentlich noch ein wenig sonnigen Spätsommer wünscht Ihnen
Tierarztpraxis Dr. Volz, Hausbay, Tierärztin Anna-Lena Schmidt,
Quelle: "Durchblick", Ausgabe 100/2021, S. 18-19.